Carmen Stucki Carmen Stucki

Wie steht es eigentlich um die Gastfreundschaft von uns Schweizern?

Meine gute Laune verflüchtigt sich mit jedem Zentimeter, den das kalte Regenwasser an meinen Hosenbeinen hochkriecht.

Pfingstsonntag. Auf einer kleinen Wanderung im Appenzellischen geniessen mein Partner und ich das Privileg, nicht mit tausend anderen unterwegs zu sein. Fast menschenleer sind die satten Wiesen und Hänge, über die wir uns nach oben kämpfen. Obwohl die Wetter-App erst für den Abend Regen anzeigt, verdunkelt sich aber bereits nach einer Stunde Marsch der Himmel rasant. Und am höchsten Punkt angekommen, geht dann alles sehr schnell. Von ein paar schweren Wassertropfen, die als Vorwarnung auf uns nieder klatschen, bis zum Moment, in welchem es wie aus Eimern giesst, vergehen nur wenige Sekunden. Damit haben wir nicht gerechnet und sind entsprechend schlecht ausgerüstet. Er mit einer leichten, dafür saugfähigen Daunenjacke, ich mit einem Rukka-Mäntelchen, das sich nicht mehr zuknöpfen lässt. Zum Glück gibt es bald einen Unterstand - die Bergstation eines Skiliftes. Hier pausieren wir und hoffen auf Wetterberuhigung. Nach einer guten Viertelstunde schon können wir prompt weiterlaufen. Leider aber ist das Wetter-Glück nur von kurzer Dauer und bald schüttet es noch viel übler als zuvor. Meine gute Laune verflüchtigt sich mit jedem Zentimeter, den das kalte Regenwasser an meinen Hosenbeinen hochkriecht. Etwas später erreichen wir klitschnass unser Etappenziel; ein regional beliebtes Restaurant, das Hotelbetrieb, Wellnessoase und Campingplatz zugleich ist.

Beim Betreten der Gaststube steuert die Wirtin sofort auf uns zu: ,Euch hat’s ja ganz schön erwischt’, schmunzelt sie. ,In unserer ,Lost and Found Box’ hat’s bestimmt ein paar trockene Kleider, wenn ihr wollt’.

Und wie wir das wollen. Wir wählen aus der Schachtel mit den liegengelassenen Trainerhosen und Pullovern in der Waschküche etwas einigermassen Passendes aus, werfen unser nasses Zeug in den Tumbler und gehen ins Gasthaus. In der Zeit, in der der Trockner sein Programm durchläuft, gönnen wir uns ein warmes Essen und plaudern mit dem Wirt noch etwas über das schlechte Wetter, das uns dieser Frühling beschert hat.

So oder so ähnlich zumindest hätte ich mir den Abschluss des verregneten Ausflugs vorgestellt. In Wirklichkeit spielte sich aber folgendes ab:

Als die Wirtin uns sah, steuerte sie auf uns und schnauzte: ,Wir sind voll’, während ihr Blick unsere tropfnassen Kleider prüfte. Offensichtlich sorgte sie sich um ihr Mobiliar und wollte auf keinen Fall, dass wir mit nassen Hosen auf ihre Holzstühle sitzen. Denn im Speisesaal hatte es sehr wohl noch den einen oder anderen freien Tisch und wir hätten locker ein Plätzchen gefunden. Wir bestellten ein Taxi und verzogen uns nach draussen. Den wärmenden Kaffee, den wir orderten, mussten wir natürlich auch an der frischen Luft konsumieren und ich begann, mich richtig zu ärgern. Was für eine unhöfliche, ungastliche Art?

Ich wette, es gibt viele Wirte, die in derselben Lage freundlicher reagiert hätten. Was ich aber mit Bestimmtheit weiss: Beim Italiener oder Griechen wäre uns das nie und nimmer passiert.

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Nemos Appell an den Bundesrat

Aufgrund der Vorschusslorbeeren, die der Schweizer Sänger und Songwriter Nemo in der Presse erntete, sitze auch ich wieder einmal vor dem Fernseher und verfolge den Eurovision Song Contest in Malmö.

Aufgrund der Vorschusslorbeeren, die der Schweizer Sänger und Songwriter Nemo in der Presse erntete, sitze auch ich wieder einmal vor dem Fernseher und verfolge den Eurovision Song Contest in Malmö. Ich bin kein Musikexperte und urteile nach meinem persönlichen Geschmack. Lange muss ich mich gedulden, bis unser Beitrag an der Reihe ist. Nemo fasziniert trotz seiner Verkleidung, denn seine Stimme erinnert mich an Freddie Mercury von Queen und die Sicherheit, mit der er die anspruchsvolle Choreografie seines Auftritts stemmt, setzt dem Ganzen offensichtlich die Krone auf und zahlt sich in Punkten aus. ,Switzerland douze points’ und das immer und immer wieder. Was für eine Wohltat, denn ,Switzerland zero points’ wurde für uns zum Dauerbrenner seit Celine Dion ,Ne partez pas sans moi’ röhrte und 1988 gewann. Die Sängerin, die Weltruhm erlangte, hatte es seinerzeit aber etwas leichter. Es genügte, dass sie textsicher den Ton traf und ein Lied sang, das unter die Haut ging. Ich habe mir nach Beendigung der diesjährigen Ausstrahlung ihren Auftritt nochmals auf Youtube angeschaut. 1988 lag der Fokus auf dem Gesang – darum der Name ,Grand Prix Eurovision de la Chanson’. Diesen musste man später wohl umständehalber anpassen, denn verkauft wird heute ein Gesamtpaket; Chansons findet man selten mehr unter den qualifizierten Darbietungen. Die einzige augenfällige Übereinstimmung zwischen damals und heute fand ich beim Outfit – beide Künstler trugen ein neckisches Röckchen.

Nach einem spannenden Voting geht der Sieg dieses Jahr also an die Schweiz. Jetzt bin ich gespannt darauf, wie Nemo sich an der Pressekonferenz schlägt und bleibe vor dem Fernseher sitzen. Mein Begeisterungstaumel für den Bieler flacht etwas ab, je länger das Interview dauert. Der junge Mann, der eben gerade an diesem riesigen Musikwettbewerb triumphierte, möchte anscheinend nichts dringender, als mit dem dafür zuständigen Justizminister und Bundesrat Beat Jans über die Anerkennung eines dritten Geschlechts verhandeln, sagt er. Echt jetzt? Wir sind neun Millionen Menschen in unserem Land. Ein verschwindend kleiner Teil weiss nicht, ob er das Häkchen auf einer Anmeldung beim W für weiblich oder beim M für männlich setzen soll? Die Eidgenossenschaft ist Traumdestination von vielen, denn wir sind grosszügig, hilfsbereit und tolerant. Minderheiten werden bei uns respektiert und haben dieselben Rechte, wie alle anderen auch; das steht sogar in der Bundesverfassung. Aber ein drittes Geschlecht wegen ein paar tausend Unschlüssigen steht hierzulande nicht zuoberst auf dem Sorgenbarometer und ist in meinen Augen eine Zumutung.

Drum lassen wir’s doch einfach mit den beiden biologisch offensichtlichen Geschlechtern gut sein. Da draussen wüten zwei Kriege, Menschen sterben, die Weltordnung verschiebt sich. Befassen wir uns also mit dem Wesentlichen, statt Zeit mit Nebensächlichem zu verplempern.

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Notting Hill

Nicht erst seit dem Film ,Notting Hill, mit Julia Roberts und Hugh Grant gehört der kleine, private Buchladen zum Strassenbild belebter Flaniermeilen.

Nicht erst seit dem Film ,Notting Hill, mit Julia Roberts und Hugh Grant gehört der kleine, private Buchladen zum Strassenbild belebter Flaniermeilen. Stimmige Details wie die Ladentüre, die das Betreten der Kundschaft mit einem Klingeln ankündigt, der Hinweis: Vorsicht Stufe, wenn’s denn eine hat, die gemütliche Sitzgelegenheit für alle mit Zeit und natürlich die kunstvoll aufeinandergetürmten Buchauslesen in Geschäften, denen besonders wenig Ausstellfläche zur Verfügung steht, ziehen uns magisch an. Ich betrete sie gerne, diese Basislager der Sprache, wo man fernab vom Mainstreamangebot nach einem literarischen Geschenk oder Hirnfutter fürs eigene Lesevergnügen Ausschau halten kann. Seit Exlibris, Orell Füssli Thalia und Weltbild den Büchermarkt dominieren, ist es fast schon eine Trotzreaktion von verantwortungsbewussten Konsumenten, diesem Ladensterben entgegenzuwirken, indem man partout nur beim kleinen Büchershop einkauft.

Was mir aber, bei aller Nostalgie und Rücksichtnahme, immer wieder auffällt, ist die Tatsache, dass man sich in überraschend vielen solcher Geschäfte weniger willkommen und geschätzt fühlt, als bei der grossen Konkurrenz. Vielleicht kennen Sie es auch, dieses Szenario, wenn Sie das Bücherfachgeschäft betreten. In Gedanken versunken verschanzen sich die meist angegrauten Verkäuferinnen hinter dem Ladentisch, kassieren und verpacken emsig. Die Eintretenden potenziellen Kunden scheinen dabei völlig von ihrem Radar zu verschwinden. Häufig hat man schon fast das Gefühl, man störe bei irgendeiner unheimlich wichtigen Arbeit.

Zu oft schon ist mein ,Grüezi’ im Raum verhallt, ohne dabei auf ein Echo zu stossen. Wenn das Verkaufspersonal den Kassenbereich – ihre sichere Festung vor der Aussenwelt – dann ab und zu für ein paar Minuten verlässt, um zwischen den Regalen zu patrouillieren, erkennt man sie leicht auch ohne Namensschild, entweder am selbstgestrickten Pullover, am asymmetrischen Haarschnitt, dem roten Brillengestell oder allem zusammen.

Einverstanden, das kommt jetzt etwas oberflächlich daher. Erscheinungsbilder sind persönlich und gehen andere nichts an – auch das des intellektuellen Kernseifentyps nicht. Aber es sind Beobachtungen, die nicht nur ich gemacht habe und ich frage mich, zu welchem Zeitpunkt diese Verkäuferinnen beschlossen haben, dass ein Lächeln im Gesicht nicht nötig ist.

Auf meinen persönlichen Kaufrausch zumindest wirkt das sehr ernüchternd und oft schon bin schnurstracks wieder aus der Buchhandlung herausgelaufen, weil ich mich nicht willkommen fühlte. Warum ich das erzähle? Neulich in der Mittagspause in einer Exlibris Filiale. Ich habe mich nach einem bestimmten Buch einer Schweizer Journalistin erkundigt und wollte wissen, ob sie es vorrätig hätten. Eine äusserst freundliche Verkäuferin suchte zwar erfolglos, bot aber sofort an, den Titel zu bestellen. Während sie die Koordinaten in den Computer eintippte, wollte sie wissen, worum es denn in der Geschichte gehe. Ich erklärte in groben Zügen. Sie war begeistert. So sehr sogar, dass sie meinte: ,Wow, das bestelle ich auch’. Ob sie das dann tatsächlich auch gemacht hat, ist mir eigentlich egal. Aber eine junge Exlibris-Angestellte hat mich so bedient, wie ich es eigentlich im Spezialgeschäft erwartet hätte. Dieses Beispiel ist leider keine Ausnahme und wird – für mich zumindest – zur Folge habe, dass ich es mache, wie viele Bücherfans: beim Grosshändler in der Nähe bestellen und nach Hause liefern lassen. Das Lädeli-Sterben werde ich verständnislos weiterbeobachten und bedauern.

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Die Schweiz im Klimawahn-del

Die Klimapropaganda eines junger Bündner Nationalrats, gibt mir schwer zu denken. Er möchte, dass ich fürs Klima am 30. September dieses Jahres in Bern auf die Strasse gehe und demonstriere.

Es ist Wochenende. Zeit, die News genauer zu studieren und die eingehenden Nachrichten auf dem Handy zu lesen, statt zu löschen. Die Klimapropaganda eines junger Bündner Nationalrats, gibt mir schwer zu denken. Er möchte, dass ich fürs Klima am 30. September dieses Jahres in Bern auf die Strasse gehe und demonstriere. Und so schreibt er: Die globale Durchschnittstemperatur steigt. Das Eis in der Arktis schmilzt so schnell wie noch nie. Gleichzeitig jetten Milliardäre weiterhin um die Welt. Erneuerbare Energien müssen ausgebaut werden und Versicherungen und Banken dürften keine Geschäfte mehr machen, die das Klima und die Biodiversität zerstören. Mein Puls steigt. Immer dieses Gejammer. In einem Land, das auf dem Globus mit blossem Auge kaum zu erkennen ist, tun wir Schweizer so viel, wie finanziell und zeitlich für jeden einzelnen möglich ist, um der Umwelt Sorge zu tragen. Ich kenne niemanden, aber wirklich nicht einen, der absichtlich in sein Auto sitzt, um etwas Dreck in die Luft zu schleudern oder sein Altöl in den nächstgelegenen Bach schüttet, weil der Weg zur Entsorgungsstelle zu weit ist. Wir halten uns mehr oder weniger an die unendlich vielen Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge von sogenannten Spezialisten, auch wenn sie teilweise Kopfschütteln auslösen und Freizeit und Portemonnaie beeinträchtigen. Wer es sich leisten kann, macht in einem Regenland wie dem unsrigen sogar den Irrsinn mit, Solarzellen auf Hausdächer zu montieren, schotet seine Räume mit zehnfachisolierten Fenstern hermetisch ab und reisst seine funktionstüchtige Ölheizung heraus, um Alternativwärme zu generieren. Dieser weltfremde Politiker stellt zuletzt in seiner Nachricht auch die Reichen wieder an den Pranger; hat aber dabei vergessen, dass mittlerweile Fliegen auch für Kleinverdiener gang und gäbe ist. Zudem gehe ich davon aus, dass der Laptop, auf dem er seinen Aufruf zur Demonstration verfasst hat, nicht in der Schweiz produziert und schon gar nicht mit dem Leiterwagen an seine Adresse geliefert wurde. Wie immer bei Idealisten mit Tunnelblick, folgt auch noch der Dauerbeschuss gegen Banken und Versicherungen. Ich kann es nicht mehr hören.

Mich würde darum interessieren, wie hoch meine Steuerrechnung und alle sonstigen Abgaben wären, wenn unsere Milliardäre die Nase voll hätten von den ständigen Verunglimpfungen und auswanderten, oder die Banken und Versicherungen merklich an Terrain verlören und einen Grossteil ihrer Arbeitnehmer auf die Strasse stellen müssten.

Auf der Homepage dieses Nationalrates steht geschrieben: Für eine soziale Schweiz. Ich möchte mir lieber nicht ausmalen, wie sozial unsere Schweiz – der Diamant in der europäischen Geröllwüste - noch wäre, wenn die Träume solcher Politiker Realität würden. Demonstrieren? Ja! Aber für eine Schweizer Klimapolitik ohne staatlich verordnete Zwänge mit subventionierter Solarenergie.

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Verbundenheit im Glockenklang

Neulich, als die Kirche in Trogen das Wochenende einläutete, löste der Klang, der sich im Tal verbreitete ein besonders andächtiges und heimeliges Gefühl in mir aus.

Neulich, als die Kirche in Trogen das Wochenende einläutete, löste der Klang, der sich im Tal verbreitete ein besonders andächtiges und heimeliges Gefühl in mir aus. Es hat mich dazu gebracht mir zu überlegen, womit ich den Soundtrack Gottes verbinde. Den mächtigen, tonnenschweren Kirchenglocken schreibe ich generell etwas Ehrfürchtiges zu. Ganz gleich, ob sie das Wochenende einläuten, zur Taufe begrüssen oder eine Hochzeitsgesellschaft empfangen – sie verkünden Freude. Nur an Beerdigungen mag ich sie nicht. Da sind sie die letzten Laute des Verstorbenen und hallen manchmal noch lange nach. Das zarte Gebimmel einer Geissenschelle zum Beispiel, befördert mich in Gedanken sofort auf eine Alp mit saftigen, grünen Wiesen und farbigen Blumen; ich kann dabei sogar den warmen Geschmack von frischem Heu riechen. Den satten Klang von Kuhglocken dagegen verbinde ich mit Wandern und einem gewissen Unbehagen. Ich schätze es, wenn mich das Träger-Vieh in sicherer Distanz zu mir - möglichst hinter einem stabilen Elektrozaun – komplett ignoriert.

Die Grösse der Glocke ist aber nicht massgebend für das Gefühl das sie auslöst. Ein ganz kleines Exemplar schaffte es damals, als ich noch in den Kindergarten ging, mich völlig zu verängstigen. Ich erinnere mich gut an das helle Klingeln des Nikolaus Glöckleins. Die Wohnungstür stand sperrangelweit offen. Mein Bruder, meine Cousins und ich standen – aufgeregt und wie Angeklagte - im Esszimmer der elterlichen Wohnung und warteten darauf, dass das düstere Zweiergespann näherkam, um über uns zu richten. Während sich die Jungs, die einiges älter waren als ich, feige hinter dem Tisch versteckten, stand ich alleine vorne im Raum – wie angewurzelt. Immer fand entweder der Nikolaus oder der Schmutzli etwas zu reklamieren, egal wie sehr ich mich die Monate zuvor auch angestrengt hatte. Irgendwann flog die Mär gottlob auf und ich konnte entspannt grösser werden.

Ein zartes Klingeln – jeweils ein paar Wochen später in derselben Jahreszeit – war ausnahmslos für höchste Glücksgefühle verantwortlich. Nämlich dann, wenn’s Christkind bereits auf dem Rückflug durch unser Stubenfenster entschwand und dabei noch rasch die Bescherung einläutete. In Windeseile hatte es zuvor Pulte, Tretautos, Velos, Skiausrüstungen, Möbelstücke und viele andere Geschenke kunstvoll um den Weihnachtsbaum drapiert. Und wie toll es jeweils gerochen hat; ich glaube es benutzte Shalimar von Guerlain.

Dass ich Glocken seit der Covid-19-Pandemie auch mit Nationalstolz assoziiere, ist eine neue Erfahrung und rundet meinen Ausflug in die Welt der metalernen Töne ab. Es war an einem Tag im Coronajahr 2021. Ein Zug von 100 Männern, jeweils zu viert in einer Reihe, bewegte sich im Gleichschritt und mit Glocken auf den Schultern durch die Strassen von Bern, um schlussendlich auf dem Bundeshausplatz zu verweilen. Alles was sie zur damaligen Situation in unserem Land zu sagen hatten, übernahm das hallende Geläut, für das sie verantwortlich waren. Ein absolut patriotischer Moment für mich; kein grosses Palaver, sondern ein paar eindringliche Laute die Verbundenheit signalisierten und manch einen zum Nachdenken bewegte.

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French Dressing

An einem herrlichen Sommerabend nach einer Bootstour über den Brienzersee und anschliessender Zugfahrt über den Brünigpass, sind wir in Luzern gelandet.

An einem herrlichen Sommerabend nach einer Bootstour über den Brienzersee und anschliessender Zugfahrt über den Brünigpass, sind wir in Luzern gelandet. Auch da: Postkartenwetter und angenehmes T-Shirt-Klima. Überall herrscht Hochbetrieb. Nach kurzem Suchen haben wir sogar einen Platz beim Italiener gefunden. Etwa zehn Tische stehen im lauschigen Hinterhof seines Altstadtrestaurants und diverse Plätze sind noch frei. Wir freuen uns auf einen leckeren Happen, studieren die Karte und entscheiden schnell.

Bald einmal steht die Bedienung da und nimmt unsere Wünsche auf. Das Angus Beef mit Beilagen für den Herrn, die Pasta für die Dame. Da ich nicht nur Kohlenhydrate zu mir nehmen will, ordere ich einen kleinen gemischten Salat vorab. Doch die Serviceangestellte schüttelt energisch den Kopf und meint, der Vorspeisensalat sei so gross, wie er eben sei. Kleiner gäbe es den nicht.

Okay, denke ich mir, flexibel sind sie ja nicht gerade. Weniger auf einem Teller zu arrangieren ist eigentlich keine Kunst - aber egal.

Ich bestelle mit italienischem Dressing. Die junge Frau winkt erneut ab und erklärt, dass sie ausschliesslich französische Sauce anbieten; sie schwärmt: «Die ist super – wir kippen sie über alles».

Ich stutze – bestimmt nimmt sie mich auf den Arm. Kein italienisches Dressing beim Italiener? Das gibts doch nicht. Und was heisst: Wir schütten sie über alles; auch über Lasagne und Pizza?

Ich hake nach, leider erfolglos. Die andere sei sowieso nicht gut – schliesst sie die Diskussion und lässt mich und meinen Partner mit kreisenden Gedanken - zugegeben amüsiert - zurück.

Bleibt zu hoffen, dass dieses Modell keine Schule macht und inskünftig der Parmesankäse nicht durch englischen Cheddar Cheese oder das Tiramisu durch türkisches Baklava ersetzt wird – es wäre echt schade drum!

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SBB – Qualität, das war einmal

Als Kind war für mich die SBB der Garant für Qualität und Pünktlichkeit.

Als Kind war für mich die SBB der Garant für Qualität und Pünktlichkeit. In den letzten Jahren hat sich – zusammen mit dem Bevölkerungswachstum – leider einiges verändert. Besonders seit der Corona-Krise ist Reisen mit dem Zuge nicht wirklich was für Kluge, denn die einzige Konstante dabei ist die Ungewissheit geworden.

Ich fahre sonntags immer von Bern nach St. Gallen. Die Reise dauerte vor Corona zwei Stunden ohne Umsteigen. Seit der Pandemie ist dieser Trip viel zeitaufwendiger geworden. Ob es wohl daran liegt, dass für die Bundesbahnen die Schweiz nach Winterthur aufhört?

Da stehe ich also im Bahnhofsgebäude vor der grossen Anzeigetafel. Die eine Verbindung fällt komplett aus, die andere hat 14 Minuten Verspätung, womit ich den Anschlusszug verpassen würde.

Nach Alternativen suchen ist gar nicht so einfach. Entweder ich stehe mir in Olten die Füsse platt, oder ich muss in Zürich von Gleis 13 oben nach Gleis 33 unten spurten; sitzenbleiben war einmal. Sicher –zeitlich kann Frau das schaffen, aber guter Service sieht anders aus.

Zudem wird man prophylaktisch darauf hingewiesen, man solle vor Reisebeginn die jeweiligen Abfahrtszeiten nochmals überprüfen. Was ist los mit unserer SBB?

Die Durchsage, dass Gäste, die sich in den Osten der Schweiz verschieben wollen, auf den Bistrowagen verzichten müssen, obwohl einer mitgezogen wird, bringt mich zum Schmunzeln. Das ist auf der Strecke nach St. Gallen am Sonntag Standard.

Ich frage mich, ob deshalb wohl auch die Anzahl der zur Nutzung geöffneten Bordtoiletten reduziert wurde, denn wer nichts trinkt, der muss auch nicht aufs Häuschen? Den Gang zur Toilette überlegt sich nämlich jeder Passagier zweimal. Nur wer absolut keinen anderen Ausweg sieht, begibt sich freiwillig dorthin. Guter Tipp vom Vielfahrer – nehmen Sie Papiertaschentücher mit, denn die Wartung der Sanitäranlagen lässt zu wünschen übrig und die Papierrolle könnte leer sein. Seifen Sie Ihre Hände erst ein, wenn Sie sicher sind, dass der Wasserhahn funktioniert. Sonst kleben sie mindestens so fest wie der Boden, auf dem sie stehen.

 Zu guter Letzt noch dies – seit Corona kann ich die Zugfahrten, auf denen sich das Personal nicht für irgendeine Unpässlichkeit, Ausfälle, verklemmte Türen, Weichenprobleme usw. entschuldigen muss – an einer Hand abzählen.

Entweder meine Kindheitserinnerungen von romantischen Fahrten sind reine Fantasiegebilde oder aber die Schweizerischen Bundesbahnen haben sich mit dem Qualitätssinkflug abgefunden.

Ein junger Herr, der viel in der ganzen Welt mit den ÖV herumreist, erzählte mir neulich, dass die saubersten Züge in Japan unterwegs seien. Seine Schilderungen waren unvorstellbar – vor allem wenn man bedenkt, dass dort 125 Mio. Menschen leben. Das macht eine Pro-Kopf Bevölkerung pro Quadratmeter von 345, während es in der Schweiz 216 Personen sind, die sich dieselbe Fläche teilen. Was also macht die SBB falsch und wer kümmert sich darum?

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Ausverkauf der deutschen Sprache

Ich mag Sprachen; ohne sie wär’s ruhig da draussen.

Ich mag Sprachen; ohne sie wär’s ruhig da draussen. Im europäischen Raum ist das Deutsche sogar besonders schön mit seinen offenen Vokalen, leider aber auch anspruchsvoll wenn’s ums geschriebene Wort geht. Anfang des 21. Jahrhunderts noch war Deutsch die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa und die am zweitmeisten veröffentlichte Sprache in der Literatur. Seit einiger Zeit ändert sich das leider frappant und vor allem Englisch ist auf dem Vormarsch.

Kleines Beispiel angelsächsischer Importware gefällig? Ich durchquere den Hauptbahnhof von Bern. Vor mir eine Gruppe blutjunger Frauen. Sie sind aufgewühlt, voller Vorfreude auf etwas, das mir nicht bekannt ist. Laut unterhalten sie sich; man ist gezwungen mitzuhören:

„Die haben ein geiles Sortiment – einfach so nice“, meint die mit dem bauchfreien Top vor mir. „Ja besuch ich auch gern – bin immer mega satisfied“, ergänzt eine Mitläuferin. Ich ärgere mich.

Warum sind wir Schweizer nicht stolz auf das, was unser Mini-Land ausmacht? Warum wollen wir um jeden Preis bei jedem globalen Trend mitmischen? Merken wir nicht, wie lächerlich es daherkommt, wenn selbst in einem tranigen Dialekt wie dem Bärn Dütsch angelsächsische Importfetzen eingebaut werden? Leider breitet sich diese Sprachverhunzung epidemisch aus. Der Schweizer Kommentator zum Beispiel, der nach dem Skirennen im Zieleinlauf ins Mikrofon röhrt: „So eine Pace wie er hat nicht jeder“. Oder sein Mitkommentator, der herausgefunden hat, dass ein anderer Rennfahrer das Ziel auch in time erreichte.

Verständnis habe ich dafür, dass gewisse Lebensbereiche diesem Englisch-Trend unterworfen sind. Computerbegriffe zum Beispiel verlangen nach einer weltweit gängigen Sprachfindung, zumal ihre Technologie ihren Ursprung ja nicht in Tschamut hat (kleiner Ort im Kanton Graubünden). Da sind aber noch einige andere Sparten, die mit Anglizismen überflutet werden und dort finde ich sie unpassend. Der Shitstorm zum Beispiel verfehlt seine Wirkung zwar nicht und klingt harmloser als ein Sturm mit Scheisse, aber es liesse sich sicher eine prägnante Alternative aus unserem eigenen Sprachraum dafür finden. Zudem lösen solche Begriffe Verwirrung aus, denn wie werden sie geschrieben? Die Arbeit von Daheim zum Beispiel - also aus dem Homeoffice: zusammen oder getrennt, mit Bindestrich oder ohne, Home gross, wenn ja, was wird dann aus dem Office?

Und zuletzt noch dies:

Ob der Cupcake wirklich besser schmeckt als der Mini-Gugelhopf muss jeder selber wissen. Dass aus einem Termin gleich eine Deadline – also eine tote Line - werden muss finde ich ziemlich übertrieben. Weshalb wir Menschen nicht mehr treffen, sondern daten weiss keiner. Dennoch scheint es so, als ob ein Smoothie definitiv besser die Gurgel herunter flutscht als ein gewöhnlicher Frucht- oder Gemüsesaft.  

Am doofsten – zumindest aus heutiger Sicht – klingt es aber für meine Ohren, wenn sich die Herren Meier und Hugentobler im Ochsen zum Lunchen treffen. Für diese Einfallslosigkeit sollte man die beiden in der Tat lynchen.

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Signalwirkung

An einem verregneten Corona-Samstagnachmittag schlenderte ich durchs neu eröffnete Centre Dürrenmatt in Neuchâtel.

An einem verregneten Corona-Samstagnachmittag schlenderte ich durchs neu eröffnete Centre Dürrenmatt in Neuchâtel. Mario Bottas Idee, das einstige Wohnhaus des Schriftstellers und Malers in ein Museumsgebäude zu integrieren, verleiht der Ausstellung seither einen einzigartigen Charakter. Am eindrücklichsten aber war für mich persönlich der Besuch von Dürrenmatts Arbeitszimmer mit der herrlichen Seesicht, das seit kurzem erst öffentlich zugänglich ist. 

Am Ende des Rundgangs führte mich der Weg zum hauseigenen Bistro. Ich hatte Durst und freute mich trotz kühlen Temperaturen auf ein erfrischendes Getränk. Draussen auf der Terrasse standen zwar zwei Kaffeemaschinen zur Verfügung, aber die Theke im Inneren war nicht bedient. Mein prüfender Blick hinter den Tresen bestätigte meine Befürchtung: Hier gibt es heute nichts. Im selben Moment rief ein älterer Herr: Sie, Fräulein!’ Ich ahnte, was er wollte und winkte ab. ,Ich gehöre nicht zum Personal’, erklärte ich und dachte - bloss weil ich ein Foulard trage, heisst das noch lange nicht, dass ich hier arbeite. 

Im Sommer vor Corona passierte mir etwas Ähnliches. Wir kamen vom Wandern. Das Kopftuch, dass ich tagsüber als Sonnenschutz nutzte, trug ich später dann um den Hals. Ich stand an einer Bahnstation, während mein Partner im Restaurant vis-à-vis Getränke organisierte. Da sprach mich ein Mann, der ebenfalls wartete, an. ,So, auch Feierabend?’ Ich kapierte nicht, nicke aber bejahend, da ich keine Lust auf eine Unterhaltung hatte. Als ich den Vorfall meinem Freund erzählte, meinte er amüsiert: ,Du siehst mit deinem Foulard halt aus wie eine Service Angestellte’.                               

Neulich in einem Berner Kaufhaus: Ich suchte nach einem besonderen Präsent für meine Tochter. In der Abteilung mit den Duftlampen prüfte ich die verschiedenen Modelle und stellte die in Frage kommenden im Regal nebeneinander auf, damit mir die Wahl einfacher fallen sollte. Trotzdem konnte ich mich für keine Version begeistern. ,Entschuldigung, welche würden Sie mir denn empfehlen?’, fragte mich plötzlich eine jüngere Frau, die sich ebenfalls am Gestell zu schaffen machte. ,Suchen Sie denn eine Berger Lampe oder einfach eine Tinktur mit Holzstäben?’, antwortete ich belustigt. ,Was ist eine Berger Lampe?’ wollte sie wissen. Ich erkläre das Prinzip des Luftveredlers, während sie interessiert meinen Ausführungen folgte und bereits nach wenigen Minuten hatte ich ihr ein Exemplar verkauft. Als ich meine Handtasche über die Schulter warf und aufbrechen wollte, trat sie verdutzt einen Schritt zur Seite. ,Oh Entschuldigung! Sie arbeiten gar nicht hier?’ Ich verneinte, wünschte ihr viel Freude an der neuen Errungenschaft und lief zur Rolltreppe, wo ich schmunzelnd mein Halstuch zurechtzupfte.

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Tinder ist geschwinder!

Fast alle werden sie vom Bildschirm gefegt, was so viel heisst wie: Nein danke, der gefällt mir nicht.

Interessiert betrachte ich die Fotos junger Männer, die – mit ihren Namen versehen – auf dem Handy an mir vorbeisausen. Egal ob blond, braun, rot, oder schwarz – für jeden Geschmack ist etwas mit dabei. Fast alle werden sie vom Bildschirm gefegt, was so viel heisst wie: Nein danke, der gefällt mir nicht. ,Würde mich einer optisch ansprechen’ erklärt mir die 27-jährige Paula, ,müsste ich sein Bild nach rechts wischen. Tut der Typ dann dasselbe, haben wir ein ,Match’, führt sie weiter aus. Und das bedeute im besten Fall so viel wie: ,Hi – magst du schreiben, oder so?’

Ich staune. Das ist also im 21. Jahrhundert die boomende Möglichkeit, einen Partner zu finden? Der Mensch als Bestellware, den ich – wie einen neuen Toaster – bequem online ordern kann?

Dafür gibt’s vorab – auch wie beim Toaster – natürlich einige Basisinformationen. Name, Grösse, Gewicht, Anwendungsmöglichkeiten (für etwas Ernstes oder doch nur zum Toasten). Nachdem man im Besitz der wichtigsten Koordinaten ist, wird Stufe zwei gezündet: Man beginnt einander zuzuschreiben. Wenn Sie jetzt aber denken, dass da eine nette Unterhaltung ins Rollen kommt, irren Sie sich. Mehr als fünf bis acht Worte haben die Kommunikationsfetzen selten, die da hin und her geschoben werden. Wo man früher noch kleine, hübsche Texte in netten Umschlägen zugesteckt bekam, heisst es heute lapidar: ,Ich morgen in Zürich - du auch?’ Antwort: ,Nein, schon besetzt, ein andermal’. Das Spannende daran; ein andermal gibt es häufig gar nicht. Viele junge Leute erzählen, dass man wochenlang per SMS Unterhaltungen mit potenziellen Partnern führe, sie fest - und mit einem kleinen Hoffnungsschimmer - in den Alltag einbaue, um plötzlich festzustellen, dass die Verbindung abrupt endet. Eine Erklärung dafür bleibe aus. Und auch auf spezifisches Nachfragen bekomme man keine Rückmeldung, was mich ehrlich gesagt nicht überrascht.

 

Da gelobe ich mir die gute alte Zeit. Wer auf der Suche nach ein Partner war, der musste a) raus und b) sich offiziell anbieten. Ich bin Sandra, gehe heute tanzen und hoffe, dass ich jemanden kennenlerne, der auch Single ist (ganz wichtig) und sich auf etwas Neues einlassen will. Kein vorheriges Abchecken sämtlicher Charaktereigenschaften, Freizeitvorlieben, Essgewohnheiten oder Visionen. Nein, volles Risiko voraus. Sandra traf dann zum Beispiel Silvio und zwar ganz einfach darum, weil der Blickkontakt vielversprechend war und Silvio damals noch kein Handy besass. ER war der Mutige, der SIE ansprach. Daraus ergab sich entweder rein gar nichts und man stand gelangweilt von einem Bein aufs andere, bis einer das Treffen auflöste oder aber man kam sich etwas näher. Weil die Musik im Club nicht bloss dezent im Hintergrund spielte, verschob man sich nach draussen, um sich besser unterhalten zu können. In diesem Zeitraum profitierte man vom Luxus, sein Getränk unbeaufsichtigt als Platzhalter auf dem Tisch oder an der Bar stehen lassen zu können, denn niemandem wäre es in den Sinn gekommen, da eine miese Substanz hinein zu kippen.

An der frischen Luft merkte man schnell, ob Silvio ein Langweiler oder doch der coole Typ von gerade eben war. Auf das erste Treffen folgte ein zweites oder man musste Farbe bekennen; dem Gegenüber erklären, dass aus dieser Bekanntschaft wohl nichts Weiteres wird.

Heute läuft diese unangenehme Aufgabe einfach ab, setzt aber weder Courage geschweige denn Anstand voraus. Schon eine kurze SMS reicht aus, wenn man den anderen nicht mehr sehen oder hören will: ,Ich bin wohl doch noch nicht bereit für etwas Festes’ oder etwas in der Art, werde unverhofft übermittelt, erklärte Paula. Und damit müsse man schon recht zufrieden sein, denn oft herrsche einfach plötzlich Funkstille. Bis Wochen später - wie aus dem Nichts – wieder eine SMS von besagtem Schweiger eintrudle, mit dem Inhalt: ,Ich heute in Zürich - Du?’

Dann doch lieber der Toaster!

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