Nemos Appell an den Bundesrat
Aufgrund der Vorschusslorbeeren, die der Schweizer Sänger und Songwriter Nemo in der Presse erntete, sitze auch ich wieder einmal vor dem Fernseher und verfolge den Eurovision Song Contest in Malmö. Ich bin kein Musikexperte und urteile nach meinem persönlichen Geschmack. Lange muss ich mich gedulden, bis unser Beitrag an der Reihe ist. Nemo fasziniert trotz seiner Verkleidung, denn seine Stimme erinnert mich an Freddie Mercury von Queen und die Sicherheit, mit der er die anspruchsvolle Choreografie seines Auftritts stemmt, setzt dem Ganzen offensichtlich die Krone auf und zahlt sich in Punkten aus. ,Switzerland douze points’ und das immer und immer wieder. Was für eine Wohltat, denn ,Switzerland zero points’ wurde für uns zum Dauerbrenner seit Celine Dion ,Ne partez pas sans moi’ röhrte und 1988 gewann. Die Sängerin, die Weltruhm erlangte, hatte es seinerzeit aber etwas leichter. Es genügte, dass sie textsicher den Ton traf und ein Lied sang, das unter die Haut ging. Ich habe mir nach Beendigung der diesjährigen Ausstrahlung ihren Auftritt nochmals auf Youtube angeschaut. 1988 lag der Fokus auf dem Gesang – darum der Name ,Grand Prix Eurovision de la Chanson’. Diesen musste man später wohl umständehalber anpassen, denn verkauft wird heute ein Gesamtpaket; Chansons findet man selten mehr unter den qualifizierten Darbietungen. Die einzige augenfällige Übereinstimmung zwischen damals und heute fand ich beim Outfit – beide Künstler trugen ein neckisches Röckchen.
Nach einem spannenden Voting geht der Sieg dieses Jahr also an die Schweiz. Jetzt bin ich gespannt darauf, wie Nemo sich an der Pressekonferenz schlägt und bleibe vor dem Fernseher sitzen. Mein Begeisterungstaumel für den Bieler flacht etwas ab, je länger das Interview dauert. Der junge Mann, der eben gerade an diesem riesigen Musikwettbewerb triumphierte, möchte anscheinend nichts dringender, als mit dem dafür zuständigen Justizminister und Bundesrat Beat Jans über die Anerkennung eines dritten Geschlechts verhandeln, sagt er. Echt jetzt? Wir sind neun Millionen Menschen in unserem Land. Ein verschwindend kleiner Teil weiss nicht, ob er das Häkchen auf einer Anmeldung beim W für weiblich oder beim M für männlich setzen soll? Die Eidgenossenschaft ist Traumdestination von vielen, denn wir sind grosszügig, hilfsbereit und tolerant. Minderheiten werden bei uns respektiert und haben dieselben Rechte, wie alle anderen auch; das steht sogar in der Bundesverfassung. Aber ein drittes Geschlecht wegen ein paar tausend Unschlüssigen steht hierzulande nicht zuoberst auf dem Sorgenbarometer und ist in meinen Augen eine Zumutung.
Drum lassen wir’s doch einfach mit den beiden biologisch offensichtlichen Geschlechtern gut sein. Da draussen wüten zwei Kriege, Menschen sterben, die Weltordnung verschiebt sich. Befassen wir uns also mit dem Wesentlichen, statt Zeit mit Nebensächlichem zu verplempern.