Notting Hill

Nicht erst seit dem Film ,Notting Hill, mit Julia Roberts und Hugh Grant gehört der kleine, private Buchladen zum Strassenbild belebter Flaniermeilen. Stimmige Details wie die Ladentüre, die das Betreten der Kundschaft mit einem Klingeln ankündigt, der Hinweis: Vorsicht Stufe, wenn’s denn eine hat, die gemütliche Sitzgelegenheit für alle mit Zeit und natürlich die kunstvoll aufeinandergetürmten Buchauslesen in Geschäften, denen besonders wenig Ausstellfläche zur Verfügung steht, ziehen uns magisch an. Ich betrete sie gerne, diese Basislager der Sprache, wo man fernab vom Mainstreamangebot nach einem literarischen Geschenk oder Hirnfutter fürs eigene Lesevergnügen Ausschau halten kann. Seit Exlibris, Orell Füssli Thalia und Weltbild den Büchermarkt dominieren, ist es fast schon eine Trotzreaktion von verantwortungsbewussten Konsumenten, diesem Ladensterben entgegenzuwirken, indem man partout nur beim kleinen Büchershop einkauft.

Was mir aber, bei aller Nostalgie und Rücksichtnahme, immer wieder auffällt, ist die Tatsache, dass man sich in überraschend vielen solcher Geschäfte weniger willkommen und geschätzt fühlt, als bei der grossen Konkurrenz. Vielleicht kennen Sie es auch, dieses Szenario, wenn Sie das Bücherfachgeschäft betreten. In Gedanken versunken verschanzen sich die meist angegrauten Verkäuferinnen hinter dem Ladentisch, kassieren und verpacken emsig. Die Eintretenden potenziellen Kunden scheinen dabei völlig von ihrem Radar zu verschwinden. Häufig hat man schon fast das Gefühl, man störe bei irgendeiner unheimlich wichtigen Arbeit.

Zu oft schon ist mein ,Grüezi’ im Raum verhallt, ohne dabei auf ein Echo zu stossen. Wenn das Verkaufspersonal den Kassenbereich – ihre sichere Festung vor der Aussenwelt – dann ab und zu für ein paar Minuten verlässt, um zwischen den Regalen zu patrouillieren, erkennt man sie leicht auch ohne Namensschild, entweder am selbstgestrickten Pullover, am asymmetrischen Haarschnitt, dem roten Brillengestell oder allem zusammen.

Einverstanden, das kommt jetzt etwas oberflächlich daher. Erscheinungsbilder sind persönlich und gehen andere nichts an – auch das des intellektuellen Kernseifentyps nicht. Aber es sind Beobachtungen, die nicht nur ich gemacht habe und ich frage mich, zu welchem Zeitpunkt diese Verkäuferinnen beschlossen haben, dass ein Lächeln im Gesicht nicht nötig ist.

Auf meinen persönlichen Kaufrausch zumindest wirkt das sehr ernüchternd und oft schon bin schnurstracks wieder aus der Buchhandlung herausgelaufen, weil ich mich nicht willkommen fühlte. Warum ich das erzähle? Neulich in der Mittagspause in einer Exlibris Filiale. Ich habe mich nach einem bestimmten Buch einer Schweizer Journalistin erkundigt und wollte wissen, ob sie es vorrätig hätten. Eine äusserst freundliche Verkäuferin suchte zwar erfolglos, bot aber sofort an, den Titel zu bestellen. Während sie die Koordinaten in den Computer eintippte, wollte sie wissen, worum es denn in der Geschichte gehe. Ich erklärte in groben Zügen. Sie war begeistert. So sehr sogar, dass sie meinte: ,Wow, das bestelle ich auch’. Ob sie das dann tatsächlich auch gemacht hat, ist mir eigentlich egal. Aber eine junge Exlibris-Angestellte hat mich so bedient, wie ich es eigentlich im Spezialgeschäft erwartet hätte. Dieses Beispiel ist leider keine Ausnahme und wird – für mich zumindest – zur Folge habe, dass ich es mache, wie viele Bücherfans: beim Grosshändler in der Nähe bestellen und nach Hause liefern lassen. Das Lädeli-Sterben werde ich verständnislos weiterbeobachten und bedauern.

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