SBB – Qualität, das war einmal
Als Kind war für mich die SBB der Garant für Qualität und Pünktlichkeit. In den letzten Jahren hat sich – zusammen mit dem Bevölkerungswachstum – leider einiges verändert. Besonders seit der Corona-Krise ist Reisen mit dem Zuge nicht wirklich was für Kluge, denn die einzige Konstante dabei ist die Ungewissheit geworden.
Ich fahre sonntags immer von Bern nach St. Gallen. Die Reise dauerte vor Corona zwei Stunden ohne Umsteigen. Seit der Pandemie ist dieser Trip viel zeitaufwendiger geworden. Ob es wohl daran liegt, dass für die Bundesbahnen die Schweiz nach Winterthur aufhört?
Da stehe ich also im Bahnhofsgebäude vor der grossen Anzeigetafel. Die eine Verbindung fällt komplett aus, die andere hat 14 Minuten Verspätung, womit ich den Anschlusszug verpassen würde.
Nach Alternativen suchen ist gar nicht so einfach. Entweder ich stehe mir in Olten die Füsse platt, oder ich muss in Zürich von Gleis 13 oben nach Gleis 33 unten spurten; sitzenbleiben war einmal. Sicher –zeitlich kann Frau das schaffen, aber guter Service sieht anders aus.
Zudem wird man prophylaktisch darauf hingewiesen, man solle vor Reisebeginn die jeweiligen Abfahrtszeiten nochmals überprüfen. Was ist los mit unserer SBB?
Die Durchsage, dass Gäste, die sich in den Osten der Schweiz verschieben wollen, auf den Bistrowagen verzichten müssen, obwohl einer mitgezogen wird, bringt mich zum Schmunzeln. Das ist auf der Strecke nach St. Gallen am Sonntag Standard.
Ich frage mich, ob deshalb wohl auch die Anzahl der zur Nutzung geöffneten Bordtoiletten reduziert wurde, denn wer nichts trinkt, der muss auch nicht aufs Häuschen? Den Gang zur Toilette überlegt sich nämlich jeder Passagier zweimal. Nur wer absolut keinen anderen Ausweg sieht, begibt sich freiwillig dorthin. Guter Tipp vom Vielfahrer – nehmen Sie Papiertaschentücher mit, denn die Wartung der Sanitäranlagen lässt zu wünschen übrig und die Papierrolle könnte leer sein. Seifen Sie Ihre Hände erst ein, wenn Sie sicher sind, dass der Wasserhahn funktioniert. Sonst kleben sie mindestens so fest wie der Boden, auf dem sie stehen.
Zu guter Letzt noch dies – seit Corona kann ich die Zugfahrten, auf denen sich das Personal nicht für irgendeine Unpässlichkeit, Ausfälle, verklemmte Türen, Weichenprobleme usw. entschuldigen muss – an einer Hand abzählen.
Entweder meine Kindheitserinnerungen von romantischen Fahrten sind reine Fantasiegebilde oder aber die Schweizerischen Bundesbahnen haben sich mit dem Qualitätssinkflug abgefunden.
Ein junger Herr, der viel in der ganzen Welt mit den ÖV herumreist, erzählte mir neulich, dass die saubersten Züge in Japan unterwegs seien. Seine Schilderungen waren unvorstellbar – vor allem wenn man bedenkt, dass dort 125 Mio. Menschen leben. Das macht eine Pro-Kopf Bevölkerung pro Quadratmeter von 345, während es in der Schweiz 216 Personen sind, die sich dieselbe Fläche teilen. Was also macht die SBB falsch und wer kümmert sich darum?